Networking - Ein Netzwerk für den Erfolg im Gesundheitswesen knüpfen
Wie schon in der letzten Ausgabe der Österreichischen
Krankenpflegezeitschrift baut auch der folgende Artikel auf den Ergebnissen des
Führungsbarometers Pflege – der bisher größten Befragung von Führungskräften
aus der Pflege in ganz Österreich auf. Aus den 889 ausgewerteten Antworten geht
ein Wunsch der befragten Führungskräfte nach mehr Vernetzung hervor. So meinen
die Führungskräfte, durch systematische Vernetzung den aktuellen
Herausforderungen des Gesundheitswesens besser begegnen zu können. Was genau
aber heißt Vernetzung oder Networking?
Networking
Fast jeder ist schon einmal auf
den Begriff „Networking“ gestoßen, entweder privat oder beruflich. Das ist
nicht verwunderlich, so ist der Nutzen von losen und engen Kontakten
vielfältig, nicht nur für das persönliche Wohlbefinden, sondern auch für den
beruflichen Erfolg.
Die Vorteile eines breit gestreuten
Netzwerkes beschränken sich dabei nicht auf Austausch zu beruflichen
Herausforderungen alleine. Soziale Unterstützung, Weitergabe von Informationen,
Entwicklung neuer Ideen oder einfach gegenseitige Inspiration sind Beispiele
für Wirkungen von aktivem „Netzwerken“ – insbesondere in so einer dynamischen Zeit
wie heute, in der Veränderungen an der Tagesordnung stehen.
Beim „Netzwerken“ unterscheidet
man zwischen sogenannten losen Kontakten, d.h. solche, die über den „eigenen
Tellerrand“ hinausreichen (z.B. aus anderen Berufsgruppen oder Standorten
kommen) und engen Kontakten aus dem
„Tagesgeschäft“. Lose Kontakte haben den Vorteil, dass sie oftmals neuartige
Informationen liefern und unerwartete Denkanstöße geben, während enge Kontakte
oftmals um die gleichen Themenfelder kreisen, dafür aber sachlich mehr
Innensicht haben
Doch wie baut man sich ein
Netzwerk auf? Was braucht es, um mit den richtigen Menschen in Kontakt zu
treten? Und welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Führungskräfte
aus der Pflege beim Networking?
Networking im Gesundheitswesen:
Gerade in einem Arbeitsumfeld wie
in Gesundheitseinrichtungen kommt es zu vielen unterschiedlichen Beziehungsgeflechten
zwischen und innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen. Im Gesundheitswesen ist
eine gute Kommunikation, ein reger Austausch und die Vernetzung zwischen den
Fachbereichen sowie eine gute Beziehung zu Verantwortlichen in anderen
Krankenhäusern wichtig. Networking ist also heute fast so etwas wie eine Notwendigkeit.
Gleichzeitig ist es auch ein wichtiger Faktor für den beruflichen Erfolg - für die ausschlaggebenden Schritte auf der
Karriereleiter sind zu knapp 60% persönliche Beziehung entscheidend - gerade in
hierarchischen Organisationen wie in einem Krankenhaus oder mit anderen Worten:
„To be successful, you have to be able to
relate to people; they have to be satisfied with your personality to be able to
do business with you and to build a relationship with mutual trust.“ - George
Ross
Was Führungskräfte aus der Pflege zum Thema „Netzwerken“ sagen – Eine
Auswahl aus den Ergebnissen aus dem Pflege-Führungsbarometer 2016
„Wir
brauchen Netzwerktreffen mit „Workshopcharakter“
zum Austausch von Erfahrungen (z.B.
zu Führungsthemen). Es gibt einen Bedarf an enger Kooperation mit Pflegewissenschaftlern
bezüglich Fachthemen.
„Selbstcoaching
in der Organisation durch gegenseitigen
Austausch.“
„Von
Nutzen wäre ein Netzwerktraining als
Form der Personalentwicklung aber auch Organisationsentwicklung.“
„…noch
mehr berufspolitischer Einsatz: Pflege muss lauter, spürbarer werden (wir könnten
von Ärzten viel lernen), wir müssen unsere Netzwerke ausbauen, Lobbying
betreiben und uns nicht immer von anderen Berufsgruppe treiben lassen!“
„...gegenseitiges Austauschen
von Erfahrungen auf Augenhöhe, auch unter Einbezug von Patienten/innen“
„Eine der größten Herausforderungen ist es
für mich, alle Bewohner/innen, Mitarbeiter/innen und Angehörige als auch die
Hausärzte mittels Gesprächen zu einem
steten Austausch zu motivieren, um gemeinsam am gleichen Ziel zu arbeiten.
Diese Gespräche verlangen sehr viel Energie ab.“
Networking aus der Sicht
des Pflegedirektors
Wem ist es nicht schon mal so ergangen, dass
sie/er „die ultimativ beste Idee“ für die Lösung einer schwierigen beruflichen
Fragestellung, z. B. bei der Lösung eines organisatorischen Problems oder bei
Regelungen für die Dienstplangestaltung hatte!
Überzeugt, dass bisher sicherlich noch niemand so
einen innovativen Ansatz zur Problemlösung entdeckt hat, wird die Umsetzung der
„die ultimativ beste Idee“ mit hohem Einsatz vorbereitet, viel Zeit und Energie
investiert, vielleicht hat man die eine oder andere Hürde nicht zur Gänze
bedacht, die Umsetzung erweist sich nun doch als sehr schwierig, Widerstände
tauchen auf und dann… dann erfährt man in einem Gespräch mit einer Kollegin aus
einem anderen Unternehmen, dass dort die gleichen Fragestellungen mit ähnlichen
Lösungsansätzen bereits seit längerer Zeit ganz gut bewältigt wurden und die
Bereitschaft besteht, die dortigen Erfahrungen gerne zur Verfügung zu stellen.
Ein Beispiel das sicherlich nicht ganz
unbekannt ist. Ein entsprechendes Netzwerk, entweder innerbetrieblich oder
extern hätte hier sicherlich viel Zeit und Arbeitsaufwand und Konflikte
vermeiden können.
In den sozialen Medien gibt es eine Vielzahl an
Netzwerken, bzw. die sozialen Medien sind
unsere Netzwerke, in denen sich ein Großteil unserer privaten und vielfach
auch beruflichen digitalen Kommunikation abspielt.
Doch welche dieser Netzwerke sind für uns als
Führungskräfte in der Pflege von Bedeutung? Wo können wir in möglichst
geschütztem Rahmen, über unsere betrieblichen Grenzen oder Bundesländergrenzen
hinweg, vertrauensvoll fachliche Fragen stellen und einen kompetenten,
entsprechend wissensbasierten Erfahrungsaustausch pflegen?
Um von „geschütztem Rahmen“ und
„vertrauensvollem Erfahrungsaustausch“ sprechen zu können, ist es sicherlich
von großer Bedeutung, dass sich die Personen, die sich in einem fachlichen
Netzwerk zusammenschließen, auch persönlich kennen und nicht ausschließlich auf
digitaler Basis miteinander kommunizieren,. Möglichkeiten dazu bieten z. B. die
von health care communication angebotenen Führungskräfte-Workshops oder andere Foren
und Fortbildungsveranstaltungen, die sich auf Grund der Ergebnisse des
Führungskräftebarometers vielleicht ganz neu entwickeln.
Wesentlich ist es auch, dass diese Netzwerke
nach bestimmten Regeln funktionieren, um nicht als „großes Jammertal“ oder für
banale Fragestellungen in destruktiver Form genutzt zu werden. Seriosität und
Verlässlichkeit ist für die Reputation eines fachlichen Netzwerkes als
Schlüssel des Erfolges zu sehen!
Das Netzwerk der ANDA, der Vereinigung der
Pflegedirektoren Österreichs, ist z. B. eine der für die Pflegedirektoren in Österreich
exklusiven und aus Erfahrung auch ganz wesentlichen Netzwerke für einen
unglaublich raschen Informationstransfer und fachlich hochwertigen
Erfahrungsaustausch innerhalb Österreichs.
Gleichzeitig bietet dieses Netzwerk auch die
Möglichkeit, wichtige allgemeine Informationen über die weiteren Netzwerke der
PflegedirektorInnen der Bundesländer in einer Art von Schneeballsystem in
kürzester Zeit in alle Krankenanstalten zu transportieren oder auch sehr rasch
Informationen über aktuelle Entwicklungen, Diskussionen oder konfliktäre Themen
in der Pflege aus den Bundesländern zu erhalten.
Völlig offene Netzwerke mit teilweise auch
anonymen Teilnehmern sind deshalb für berufliche Entwicklung und fachlichen
Austausch eher weniger geeignet. Sie verfügen über allgemeinen
Informationscharakter.
Es gilt der Grundsatz: Je allgemeiner der
Erfahrungsaustausch, desto offener kann das Netzwerk sein; je spezieller die
Fragestellung, je seriöser und je intensiver der Austausch, desto wichtiger ist
die Auswahl und die persönliche Einschätzung einer begrenzten Teilnehmeranzahl
innerhalb eines Netzwerkes.
Netzwerken mit definierten Regeln, im Rahmen
von bekannten sozialen Systemen mit verlässlichen Partnern führt zu zeit- und
kostensparendem Wissenstransfer, zu Innovation und neuen Lösungen auf Grund des
Erfahrungsaustausches. Diese Netzwerke stärken die Pflege nach innen und nach
außen. Sie stärken das berufspolitische Bewusstsein und Selbstvertrauen, sowie
die berufspolitische Identität der Pflege.
Somit ist es nicht nötig, „die ultimativ beste
Idee“, wie die neuerliche Erfindung des Rades, selbst umzusetzen, sondern die
Frage in das Netzwerk zu stellen und abzuwarten, ob das gleiche Problem nicht
bereits in einem anderen Unternehmen gut gelöst ist und Teile der guten Lösung
für die Bearbeitung der eigenen Fragen verwendet werden können.
Sollte es das erforderliche Netzwerk noch nicht
geben, spricht nichts dagegen, die Initiative zu ergreifen und eine
entsprechende Gruppe zu gründen. Die ANDA stellt dazu ebenso gerne ihre
Erfahrung zur Verfügung, wie der ÖGKV und das Team von HCC (Kontaktdaten dazu
finden Sie am Ende des Artikels).
Ein gutes Netzwerk erfüllt drei Funktionen:
- Beschaffung von Informationen: Durch Networking
ist es möglich, interessante Erfahrungen und fachliches Wissen zwischen
Abteilungen und Häusern zu kommunizieren und auszutauschen
- Realisierung von Ideen: Konkrete Ideen, die eine
Führungskraft oder eine Abteilung alleine nicht umsetzen könnte, werden gemeinsam
eher möglich gemacht und realisiert. Ein Gewinn für alle!
- Steigerung des psychischen Wohlbefindens: Ein
gutes Netzwerk schafft Sicherheit und Möglichkeiten zur Entwicklung und zum
gegenseitigen Austausch oder der gegenseitigen Unterstützung - das sind
Beiträge zum Wohlbefinden und zur Zufriedenheit der Beteiligten.
Was ist für mich als Führungskraft der Vorteil beim Networking?
Vor allem für das eigene Team und
die Organisation generell ist es wichtig, dass der Einzelne über ein
ausgeprägtes Netzwerk verfügt. Sind die Mitarbeiter/innen gut vernetzt, können
sie auf neue Ressourcen zugreifen, ohne die alten zu berühren – insofern kann eine
Führungskraft stark durch „lose“ Netzwerke entlastet werden. Gerade im
Gesundheitswesen ist es unabdingbar, dass Führungskräfte zwischen den Abteilungen
aber auch institutionsübergreifend einen fachlichen und persönlichen Austausch
pflegen um langfristig Expertise und Praxiserfahrung auszutauschen und dadurch
Best Practices zu adaptieren und Ideen für Veränderungsinitiativen zu
entwickeln. Gleichzeitig sorgt eine starke Vernetzung von Führungskräften für
den Aufbau eines Berufsstandes, der
auch in den Medien als präsent und die eigenen Interessen vertretend
wahrgenommen wird. Gerade für die Berufsgruppe der Pflege ist dies ein Faktor,
der wieder stärker in das Blickfeld geraten sollte – insbesondere vor dem
Hintergrund einer alternden Gesellschaft, Personalengpässen und dem zukünftigen
Mangel an qualifiziertem Personal in der Pflege. Die gesellschaftlichen und
politischen Entwicklungen erfordern eine stärkere Vernetzung, um auch zukünftig
die Qualität in der Pflege gewährleisten zu können.
Welche Rolle hat der Österreichische Gesundheits- und
Krankenpflegeverband (ÖGKV) bei Networking?
Es ist die Aufgabe des
Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV) als unabhängige
Interessensvertretung für alle Qualifikationsstufen der Gesundheits- und
Krankenpflege, gesundheitspolitische Themen aufzugreifen und zu positionieren. Daher
ist der Diskurs mit Vertretern der Pflegepraxis aus unterschiedlichsten
Bereichen zu führen. Netzwerke sind ein wesentliches Instrument, um einerseits
Meinungsbildungsprozesse anzustoßen und in einem nächsten Schritt Tendenzen zu
erkennen, um in der Folge pflegepolitischen Positionen zu formulieren. Die Vertreter
der ÖGKV Gremien, wie etwa Bundesvorstandsmitglieder, bilden diese Punkte in diversen Fach- und
Entscheidungsgremien auf Ebene der Länder oder des Bundes ab. Als aktuellstes
Beispiel ist der Meinungsbildungsprozess zum hochbrisanten Thema des Gesundheits-
Berufe-Registers zu nennen. Die Ergebnisse der Befragung
„Führungskräftebarometer – Pflege 2016“ zeigen sehr deutlich die Notwendigkeit,
den berufspolitischen Diskurs auszubauen und die konstruktive Rolle des ÖGKV
sichtbarer zu machen. Das Pflegemanagement übernimmt dabei als Brückenkopf in
der Pflegepraxis und darüber hinaus als Multiplikator für pflegepolitische
Positionen, bedeutende strategische Aufgaben.
Tipp für die Praxis
Die gute Nachricht lautet:
Networking kann man lernen
Für die erste Kontaktaufnahme bei
Netzwerk-Veranstaltungen eignen sich z.B. folgende Einstiegsfragen
- Was
machen Sie beruflich?/In welchem Spital arbeiten Sie? Dieser Einstieg ist
besonders gut geeignet um ein Bild von der anderen Person zu erhalten.
Hinzukommt, dass die meisten Menschen positiv auf diese Frage reagieren,
weil Sie damit Interesse signalisieren und die meisten Menschen gerne über
sich selbst sprechen.
- Wie hat
Ihnen die Veranstaltung gefallen? Die oberste Regel beim Smalltalk nach
einer Veranstaltung ist, interessanten Personen gegenüber nicht direkt die
eigene Meinung darzulegen, sondern erst einmal eine Unterhaltung in Gang
zu setzen und einen fachlichen Austausch zu führen. Im Zuge dieses
Gesprächs fallen Ihnen vielleicht gemeinsame Interessen oder Tätigkeitsfelder
auf. Es gilt also: aufmerksam zuhören
- Wie
erleben Sie (sprechen Sie ein spezielles Thema der Veranstaltung an) in
Ihrer Organisation? Auch hier ist der entscheidende Punkt das
signalisierte Interesse. Die Frage lädt die andere Person dazu ein, über
sich und die Arbeit zu reflektieren und sich noch ein Stück weiter auf die
Unterhaltung einzulassen. Und sie haben den Fuß in der Tür, das Gespräch
in eine interessante Richtung zu lenken.
Fragen, die man sich zum Aufbau
eines geeigneten Netzwerks stellen sollte, sind:
- Von wem bekomme ich aktuelle Informationen zu
für mich relevanten Themenbereichen?
- Mit wem kann ich mich vernetzen, um einen
fachlichen Austausch von Erfahrungen führen zu können?
- Von welchen Erfahrungen kann ich profitieren?
- Was können wir als Team von anderen Abteilungen
und Krankenhäusern lernen
Schlussbetrachtung:
Vernetzung unterstützt
Führungskräfte dabei, neue Ideen zu entwickeln und dadurch Veränderungsimpulse
für die eigene Organisation oder Abteilung zu entwickeln. Austausch von
Informationen führt dazu, dass aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
früher erkannt und bearbeitet werden können. Ebenso regt es organisationale
Lernprozesse an, indem Best Practices von anderen Abteilungen oder Standorten übernommen
werden können. Natürlich ist „Vernetzung“ nicht die Lösung aller Probleme per
se, aber sie hilft, durch Interaktion mit anderen Personen kreative Ideen zu
entwickeln und gemeinsam ebenjenen Herausforderungen zu begegnen, mit denen
sich die Führungskräfte aktuell konfrontiert sehen. Richtige Formate dafür zu
entwickeln und Vernetzung zu routinisieren stellen empfehlenswerte Maßnahmen
dar, deren Wirkung wohl höher ist als man zunächst annehmen würde, nicht nur
für den Einzelnen, sondern auch für das Team und in der Folge die gesamte
Organisation.
Autoren:
Mag. Karl Schwaiger, Pflegedirektor, Vorsitzender ANDA
Ursula Frohner, Präsidentin ÖGKV
Mag. Alexander Engelmann, Arbeitspsychologe, Projektleitung Befragung HCC
Silke Romanski, BSc, Projektarbeit HCC
Mag. Dr Annelies Fitzgerald, DGKS, Leiterin des Institutes für Human Factors im
Gesundheitswesen